Heinrich Heine                      An den Hofrat Georg S(artorius) in Göttingen

1799 (?) – 1856

Stolz und gebietend ist des Leibes Haltung,

Doch Sanftmut sieht man um die Lippen schweben,

Das Auge blitzt, und alle Muskeln beben,

Doch bleibt im Reden ruhige Entfaltung.

 

So stehst du auf dem Lehrstuhl, von Verwaltung

Der Staaten sprechend, und vom klugen Streben

Der Kabinette, und vom Völkerleben,

Und von Germaniens Spaltung und Gestaltung.

 

Aus dem Gedächtnis lischt mir nie dein Bild!

In unsrer Zeit der Selbstversuch und der Rohheit

Erquickt ein solches Bild von edler Hoheit.

 

Doch was du mir, recht väterlich undmild,

Zum Herzen sprachst in stiller, trauter Stunde,

Das trag’ ich treu im tiefen Herzensgrunde.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Heinrich Heine                      An Fritz S(teinmann)

1799 (?) – 1856

Die Schlechten siegen, untergehn die Wackern,

Statt Myrthen lobt man nur die dürren Pappeln,

Worin die Abendwinde tüchtig rappeln,

Statt stiller Glut lobt man nur helles Flackern.

 

Vergebens wirst du den Parnaß beackern,

Und Bild auf Bild und Blum’ auf Blume stapeln,

Vergebens wirstdu dich zu Tode zappeln,

Verstehst dus nicht, noch vor dem Ei zu gackern.

 

Auch mußt du wie ein Kampfstier dich behörnen,

Und Schutz- und Trutz-Kritiken schreiben lernen,

Und kräftig oft in die Posaune schmettern.

 

Auch schreibe nicht für Nachwelt, schreib für Pöbel,

Der Knalleffekt sei deiner Dichtung Hebel, -

Und bald wird dich die Galerie vergöttern.

 

 

 

 

 

 

 

Heinrich Heine                      An Fritz von Beughem

1799 (?) – 1856

Mein Fritz lebt nun im Vaterland der Schinken,

Im Zauberland, wo Schweinebohnen blühen,

Im dunkeln Ofen Pumpernickel glühen,

Wo Dichtergeist erlahmt, und Verse hinken.

 

Mein Fritz, gewohnt, aus heil’gem Quell zu trinken,

Soll nun zur Tränke gehn mit fetten Kühen,

Soll gar der Themis Aktenwagen ziehen –

Ich fürchte fast, er muß im Schlamm versinken.

 

Mein Fritz gewohnt, auf buntbeblümten Auen

Sein Flügelroß mit leichter Hand zu leiten,

Und sich zu schwingen hoch, wo Adler horsten,

 

Mein Fritz wird nun, will er sein Herz erbauen,

Auf einem dürren Prosagaul durchreuten –

Den Knüppelweg von Münster bis nach Dorsten.

 

 

 

 

 

 

 

Heinrich Heine                      An J. B. R(ousseau).

1799 (?) – 1856

Dein Freundesgruß konnt’ mir die Brust erschließen,

Die dunkle Herzenskammer mir entriegeln;

Ich bin umfächelt wie von Zauberflügeln,

Und heimatliche Bilder mich begrüßen.

 

Den alten Rheinstrom seh’ ich wieder fließen,

In seinem Blau sich Berg und Burgen spiegeln,

Goldtrauben winken von den Rebenhügeln,

Die Winzer klettern und die Blumen sprießen.

 

O könnt’ ich hin zu dir, zu dir, Getreuer,

Der du noch an mir hängst, so wie sich schlingt

Der grüne Efeu um ein morsch Gemäuer.

 

O, könnt’ ich hin zu dir, und leise lauschen

Bei deinem Lied, derweil Rotkehlchen singt

Und still des Rheines Wogen mich umrauschen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Heinrich Heine                      An J. B. Rousseau

1799 (?) – 1856

Bang hat der Pfaff sich in der Kirch verkrochen,

Der Herrschling zittert auf dem morschen Thrönlein,

Auf seinem Kopfe wackelt schon sein Krönlein –

Denn Rousseaus Namen hab’ ich ausgesprochen.

 

Doch wähne nicht das Püpplein,  womit pochen

Die Mystiker, sei Rousseaus Glaubensfähnlein,

Auch halte nicht für Rousseaus Freiheit, Söhnlein,

Das Süpplein, das die Demagogen kochen.

 

Sei deines Namens wert, für wahre Freiheit

Und freie Wahrheit kämpft mit deutschem Sinne.

Schlag drein mit Wort und Schwert, sei treu und bieder.

 

Glaube, Freiheit, Minne sei deine Dreiheit,

Und fehlt dir auch der Myrtenreis der Minne,

So hast du doch den Lorbeerkranz der Lieder.

 

 

 

 

 

 

 

 

Heinrich Heine                      An H. Str.

1799 (?) – 1856                                   Nachdem ich seine Zeitschrift für Erweckung altdeutscher Kunst gelesen.

 

Wie ich dein Büchlein hastig aufgeschlagen,

Da grüßen mir entgegen viel’ vertraute,

Viel’ goldne Bilder, die ich weiland schaute

Im Knabentraum und in den Kindertagen.

 

Ich sehe wieder stolz gen Himmel ragen

Den frommen Dom, den deutscher Glaube baute,

Ich hör’ der Glocken und der Orgel Laute,

Dazwischen klingt’s wie süße Liebesklagen.

 

Wohl seh’ ich auch, wie sie den Dom umklettern,

Die flinken Zwerglein, die sich dort erfrechen,

Das hübsche Blum- und Schnitzwerk abzubrechen.

 

Doch mag man immerhin die Eich’ entblättern

Und sie des grünen Schmuckes rings berauben –

Kommt neuer Lenz, wird sie sich neu belauben.

 

 

 

 

 

 

 

 

Heinrich Heine                      An meine Mutter B. Heine

1799 (?) – 1856                                   Geborene von Geldern

 

I

 

Ich bin’s gewohnt, den Kopf recht hoch zu tragen,

Mein Sinn ist auch ein bißchen starr und zähe;

Wenn selbst der König mir ins Antlitz sähe,

Ich würde nicht die Augen niederschlagen.

 

Doch, liebe Mutter, offen will ich’s sagen:

Wie mächtig auch mein stolzer Mut sich blähe,

In deiner selig süßen, trauten Nähe

ergreift mich oft ein demutsvolles Zagen.

 

Ist es dein Geist, der heimlich mich bezwinget,

Dein hoher Geist, der alles kühn durchdringet

Und blitzend sich zum Himmelslichte schwinget?

 

Quält mich Erinnerung, daß ich verübet

So manche Tat, die dir das Herz betrübet,

Das schöne Herz, das mich so sehr geliebet!

 

 

 

II

 

Im tollen Wahn hatt’ ich dich einst verlassen,

Ich wollte gehn die ganze Welt zu Ende,

Und wollte sehn, ob ich die Liebe fände,

Um liebevoll die liebe zu umfassen.

 

Die Liebe suchte ich auf allen Gassen,

Vor jeder Türe streckt ich aus die Hände

Und bettelte um geringe Liebesspende,

Doch lachend gab man mir nur kaltes Hassen.

 

Und immer irrte ich nach Liebe, immer

Nach Liebe, doch die Liebe fand ich nimmer,

Und kehrte um nach Hause, krank und trübe.

 

Doch da bist du entgegen mir gekommen,

Und ach! was da in deinem Aug’ geschwommen,

Das war die süße, langgesuchte Liebe.

 

 

 

 

 

 

 

Heinrich Heine                      An Sie

1799 (?) – 1856

Die roten Blumen hier und auch die bleichen,

Die einst geblüht aus blut’gen Herzenswunden,

Die hab’ ich nun zum schmucken Strauß verbunden,

Und will ihn dir, du schöne Herrin, reichen.

 

Nimm huldreich hin die treuen Sangeskunden:

Ich kann ja nicht aus diesem Leben weichen,

Ohn rückzulassen dir ein Liebeszeichen –

Gedenke mein, wenn ich den Tod gefunden!

 

Doch nie, o Herrin, sollst du mich beklagen;

Beneidenswert war selbst mein Schmerzenleben –

Denn liebend durft’ ich dich im Herzen tragen.

 

Und größres Heil noch soll mir bald geschehen:

Mit Geisterschutz darf ich dein Haupt umschweben

Und Friedensgrüße in dein Herze wehen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Heinrich Heine                      Aucassin und Nicolette

1799 (?) – 1856                                                       oder

                                               Die Liebe aus der guten alten Zeit

 

Hast einen bunten Teppich ausgebreitet,

Worauf gestickt sind leuchtende Figuren.

Es ist der Kampf feindseliger Naturen,

Der halbe Mond, der mit dem Kreuze streitet.

 

Trompetentusch! Die Schlacht wird vorbereitet;

Im Keller schmachten, die sich Treue schwuren;

Schalmeien klingen auf Provencer Fluren;

Auf dem Bazar Karthago’s Sultan schreitet.

 

Freundlich ergötzt die bunte Herrlichkeit:

Wir irren wie in märchenhafter Wildnis,

Bis Lieb’ und Licht besiegen Haß und Nacht.

 

Du, Meister, kanntest der Kontraste Macht,

Und gabst in schlechter neuer Zeit das Bildnis

Von Liebe aus der guten alten Zeit!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Heinrich Heine                      Bamberg und Würzburg

1799 (?) – 1856

In beider Weichbild fließt der Gnaden Quelle,

Und tausend Wunder täglich dort geschehen.

Umlagert sieht man dort von Kranken stehen

Den Fürsten, der da heilet auf der Stelle.

 

Er spricht: „Steht auf und geht!“ Und flink und schnelle

Sieht man die Lahmen selbst von hinnen gehen.

Er spricht: „Schaut auf und sehet!“ Und es sehen

sogar die Blindgebornen klar und helle.

 

Ein Jüngling naht, von Wassersucht getrieben,

Und fleht: „Hilf Wundertäter, meinem Leibe!“

Und segnend spricht der Fürst: „Geh hin und schreibe!“

 

In Bamberg und in Würzburg macht’s Spektakel,

Die Handlung Gebhardt’s rufet laut: „Mirakel!“ –

Neun Dramen hat der Jüngling schon geschrieben.